Siegen fr Rudi - Deutschland gegen Holland 1990 11FREUNDE

Publish date: 2024-10-20

Kein Län­der­spiel der jün­geren Ver­gan­gen­heit hat sich derart im kol­lek­tiven Gedächtnis der Deut­schen ein­ge­nistet wie das Ach­tel­fi­nale der Welt­meis­ter­schaft 1990 in Ita­lien. Das liegt vor allem an einer Szene, die mit Fuß­ball im stren­geren Sinne gar nichts zu tun hat. Im Grunde ist es eine Abfolge von Szenen, die mit einem Foul von Frank Rij­kaard an Rudi Völler im Mit­tel­feld beginnt. Der Hol­länder sieht Gelb, bezich­tigt den Deut­schen einer Schwalbe und spuckt ihm offen­sicht­lich – die Fern­seh­bilder zeigen dies nicht – zum ersten Mal ins gekräu­selte Haupt­haar. Völler beschwert sich beim Schieds­richter Juan Carlos Loustau aus Argen­ti­nien und wird eben­falls ver­warnt. Beim fol­genden Frei­stoß stürzt der deut­sche Stürmer Hol­lands Tor­hüter Hans van Breu­kelen in der Luft ent­gegen, er berührt ihn leicht am Fuß, doch das reicht schon, um Rij­kaard end­gültig aus der Fas­sung zu bringen. Er packt Völler am Ohr – wor­aufhin Loustau die Rote Karte zückt: Für Rij­kaard und für Völler. Bei seinem Abgang vom Feld spuckt der Hol­länder Völler dann noch von hinten in die Locken.

»Meine Ach­tung ist auf null gesunken«, sagt Team­chef Franz Becken­bauer über Rij­ka­ards Attacke. Sie ist der Tief­punkt eines ohnehin ent­täu­schenden Tur­niers der Hol­länder. Zwei Jahre zuvor waren sie noch sou­verän Euro­pa­meister geworden, doch bei der WM ist vom Glanz nichts geblieben. Die Vor­runde beenden sie nach drei Unent­schieden, unter anderem gegen Ägypten, als Dritter, was gerade noch zum Einzug ins Ach­tel­fi­nale berech­tigt. Im Duell mit ihrem alten Rivalen aber spielt das alles keine Rolle mehr. Die Hol­länder bestimmen das Geschehen und haben auch die bes­seren Chancen; doch dann kommt die 22. Minute.

Klinsi spielte fortan für zwei

»Die Platz­ver­weise haben uns wahr­schein­lich mehr geholfen als den Hol­län­dern«, sagt Guido Buch­wald. »Für die Hol­länder war es schwie­riger, die Ord­nung zu halten.« Mit Rij­kaard haben sie den Kopf ihrer Defen­sive ver­loren. Und auch das psy­cho­lo­gi­sche Moment spricht eher für die Deut­schen. Sie fühlen sich unge­recht behan­delt, und in der Pause schwören sie sich, »dass wir für den Rudi gewinnen«, erin­nert sich Buch­wald. Nach Völ­lers Feld­ver­weis ist Jürgen Klins­mann im Angriff auf sich allein gestellt, spielt aber fortan für zwei. Er fliegt förm­lich über den Platz, und er wird belohnt. Kurz nach der Pause ver­län­gert der Stürmer in seinem wohl besten Län­der­spiel eine Flanke von Buch­wald zum 1:0, später trifft er noch den Pfosten, bevor er zehn Minuten vor Schluss völlig ent­kräftet aus­ge­wech­selt wird. »Ich habe noch nie einen Stürmer gesehen, der so auf­op­fe­rungs­voll gekämpft hat«, sagt Karl-Heinz Rum­me­nigge, der wäh­rend der WM als Kokom­men­tator für die ARD arbeitet, »noch nie.«

Nach Brehmes Tor zum 2:0 können die Hol­länder eine Minute vor dem Ende durch einen – unbe­rech­tigten – Elf­meter noch einmal ver­kürzen, aber der Sieg der Deut­schen gerät nicht mehr ernst­haft in Gefahr. Spä­tes­tens jetzt wissen die Spieler, dass sie zu Großem fähig sind. Guido Buch­wald sagt: »Der Sieg gegen Hol­land war die letzte Gewiss­heit, dass wir Welt­meister werden können.«

24. Juni 1990, WM-Ach­tel­fi­nale in Mai­land, Deutsch­land – Nie­der­lande 2:1 (0:0). Zuschauer: 75 000. Tore: 1:0 Klins­mann (51.), 2:0 Brehme (85.), 2:1 R. Koeman (89., Foul­elf­meter).

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