Das Problem ist der Sponsor

Publish date: 2024-11-26

Am 14. und 15. Januar findet in Berlin der Fan­kon­gress 2012 statt. Der Grund­ge­danke lautet: Wie schaut der Fuß­ball in der Zukunft aus und welche Rolle spielen die Fans dabei?“ Am Samstag und Sonntag wird es Podi­ums­dis­kus­sionen und Work­shops zu Themen wie 50+1, Pyro­technik, Anstoß­zeiten, Selbst­be­stim­mung in der Kurve, soziale Ver­ant­wor­tung, Ein­tritts­preise etc. geben. Dis­kus­si­ons­teil­nehmer sind u.a. Martin Kind (Prä­si­dent von Han­nover 96), Jonas Gabler (Autor von Die Ultras“), Dirk Grosse (Sky Deutsch­land AG), Holger Hie­ro­nymus (Geschäfts­führer DFL), Hen­drik Große Lefert (Sicher­heits­be­auf­tragter DFB) oder Kevin Miles (Foot­ball Sup­porters Fede­ra­tion). Wei­tere Infos findet ihr auf www​.fan​kon​gress​-2012​.de.

Im Laufe dieser Woche lest hier auf der 11FREUNDE-Home­page Inter­views und Berichte zum Thema Fan­kultur. Ihr findet alle Berichte gesam­melt unter www​.11freunde​.de/fans. Das fol­gende Inter­view mit Philipp Gauch stammt aus dem Oktober 2011.

Philipp Gauch, eine Cho­reo­gra­phie der Gene­ra­tion Luzifer“ wurde von der Deut­schen Aka­demie für Fuß­ball­kultur zur besten der ver­gan­genen Saison gewählt. Was war das Thema?

Philipp Gauch: Die Cho­reo­gra­phie stand unter dem Motto Für immer in Ehren – Fritz Walter und sein Sta­dion. Hierzu haben wir in der Mitte der West­kurve eine große Block­fahne des Sta­dions aus­ge­rollt, aus deren Mitte Fritz Walter empor­stieg. Der Anlass war der 90. Geburtstag Fritz Wal­ters und das 25-jäh­rige Bestehen des Sta­di­on­na­mens (Video).

Ihre Gruppe hat die Aus­zeich­nung aller­dings abge­lehnt. Haben Sie den Preis etwa nicht ver­dient?

Philipp Gauch: Doch. Die Cho­reo­gra­phie war auf jeden Fall aus­zeich­nungs­würdig. Das haben uns auch sehr viele Leute bestä­tigt.

Was war dann der Grund?

Philipp Gauch: Das Pro­blem ist easy­credit“, der Sponsor des Preises. Die haben seit dem Jahr 2006 die Namens­rechte am Nürn­berger Sta­dion und stehen damit einer Umbe­nen­nung in Max-Mor­lock-Sta­dion, wie es eine Nürn­berger Fan­in­itia­tive for­dert, im Wege. Mit dem zen­tral for­mu­lierten Anliegen der Aka­demie, Fan­kultur zu för­dern und sich mit ihr aus­ein­an­der­zu­setzen, ist dieses Spon­so­ring nicht ver­einbar. Daher ist eine Annahme des Preises für uns unmög­lich.

Was haben Sie mit dem Nürn­berger Sta­di­on­namen zu tun? In Kai­sers­lau­tern, wo es keinen Sta­di­on­sponsor gibt, müsste die Welt doch für Sie in Ord­nung sein.

Philipp Gauch: Die Fan­szenen müssen sich bun­des­weit mit den­selben Pro­blemen beschäf­tigen. Sei es der Ver­kauf von Sta­di­on­namen, die Geneh­mi­gung von Fan­ma­te­ria­lien oder den Anstoß­zeiten. Auch wenn wir Glück haben und unser Sta­di­on­name nicht zum Ver­kauf steht, ist es für uns wichtig, sich bei sol­chen Themen soli­da­risch zu zeigen und sich gegen­seitig zu unter­stützen.

In unserer Bil­der­ga­lerie: Wei­tere schöne Fan-Cho­reo­gra­phien »

Haben Sie sich vor der Ent­schei­dung mit den Initia­toren der Nürn­berger Kam­pagne beraten?

Philipp Gauch: Ja, wir haben mit den Nürn­ber­gern gespro­chen und ihnen vor­ge­schlagen, den Preis anzu­nehmen und der Max-Mor­lock-Initia­tive das Preis­geld in Höhe von 3000 Euro zur Ver­fü­gung zu stellen. Das haben sie aber abge­lehnt.

Wieso?

Philipp Gauch: Es wäre sicher eine lus­tige Geschichte gewesen, wenn die Initia­tive gegen das Sta­di­on­spon­so­ring Geld vom aktu­ellen Sponsor erhalten hätte. Aller­dings wollen sie aus prin­zi­pi­ellen Gründen kein Geld von diesem Sponsor annehmen.

War die Ent­schei­dung in Ihrer Gruppe unum­stritten? Es ist ja schließ­lich auch eine Ehre, die Ihnen damit zuteil werden sollte.

Philipp Gauch: Natür­lich ist es eine Ehre, das sehen wir auch so. Man muss unter­scheiden: Ein­stimmig war die Ent­schei­dung, den Preis nicht anzu­nehmen. Umstritten war der Umgang mit dem Preis­geld. Es war eine Option, die Aka­demie darum zu bitten, das Geld an ein von uns aus­ge­wähltes kari­ta­tives Pro­jekt zu über­weisen. Letzt­end­lich haben wir uns aber gegen diese Vari­ante ent­schieden. Statt­dessen haben wir, um dem sozialen Cha­rakter des Preises gerecht zu werden, am ver­gan­genen Spieltag selbst eine Spen­den­ak­tion im Sta­dion durch­ge­führt und dabei circa 5000 Euro gesam­melt, die an drei soziale Orga­ni­sa­tionen gespendet werden.

Wie hat die Aka­demie auf die Ableh­nung reagiert?

Philipp Gauch: Wir haben sie natür­lich früh­zeitig dar­über in Kenntnis gesetzt. Auf unseren offenen Brief haben sie mit einer Stel­lung­nahme geant­wortet, um unseren Argu­menten etwas ent­gegen zu setzen. Sie mussten ihren Haupt­sponsor in Schutz nehmen, was ja auch ver­ständ­lich ist. Alles in allem war der Aus­tausch wirk­lich sehr fair.

Sind Sie auch gegen­über anderen Sta­di­on­spon­soren so kon­se­quent? Ver­zichten Sie auf die Pro­dukte von Banken, Ver­si­che­rungen, Auto- oder Bier­her­stel­lern, die als Sta­di­on­spon­soren in Erschei­nung treten?

Philipp Gauch: Letzt­end­lich muss man natür­lich schauen, dass man noch mit beiden Beinen im Leben steht. Da kann man sich gegen die ganze Kom­mer­zia­li­sie­rung nicht wirk­lich wehren. Es gibt aber Unter­nehmen, die es über­treiben. Seitdem etwa Red Bull so stark ins Fuß­ball­ge­schäft ein­ge­stiegen ist, gibt es bei uns viele Mit­glieder, die das Getränk nicht mehr kaufen.

Auf Seite 2: Der offene Brief der Gene­ra­tion Luzifer“ »

In unserer Bil­der­ga­lerie: Wei­tere schöne Fan-Cho­reo­gra­phien »

Stel­lung­nahme zum Preis der Deut­schen Aka­demie für Fuss­ball­kultur

Hallo FCK Fans,

mit gemischten Gefühlen haben wir die Aus­zeich­nung unserer Fritz Walter Cho­reo­gra­phie durch die Deut­sche Aka­demie für Fuss­ball­kultur zur Kenntnis genommen.

Grund­sätz­lich begrüßen wir eine Initia­tive, die sich mit den posi­tiven Seiten der Fan­kultur in ihrer ganzen Viel­falt aus­ein­an­der­setzt. Bis heute ist die Medi­en­land­schaft bei Fan­ak­ti­vi­täten durch eine über­trie­bene, meist wenig sach­liche Bericht­erstat­tung gekenn­zeichnet. Es wird grund­sätz­lich nur bei nega­tivem Fan­ver­halten berichtet. Berichte über die bei weitem über­wie­genden posi­tiven Fan­ak­tionen sucht man hin­gegen meist ver­ge­bens. Oft scheint es mehr darum zu gehen, Ängste und Vor­ur­teile zu schüren, als an der Fan­kultur an sich inter­es­siert zu sein. Ein bis heute bedenk­li­cher Umstand, durch den sich de facto ein natür­li­ches Miss­trauen der Fan­szenen gegen­über der deut­schen Medi­en­land­schaft ent­wi­ckelt hat. Als aktu­elles Bei­spiel hierfür kann die Bericht­erstat­tung zu diesem Thema in der Nürn­berger Abend­zei­tung” dienen, in wel­cher von einem dro­henden Skandal die Rede ist.

Wie schon ange­klungen, ist es positiv zu bewerten, dass sich durch die Aka­demie auf einer ver­ant­wor­tungs­vollen Ebene eine Wert­schät­zung für die unei­gen­nüt­zigen Akti­vi­täten der Fans ent­wi­ckelt hat. Schließ­lich bedeutet eine Cho­reo­gra­phie einen nicht zu unter­schät­zenden Arbeits- und damit Zeit­auf­wand, auch aus finan­zi­eller Per­spek­tive. Jugend­li­chen Fans wird eine Mög­lich­keit geboten, abseits von den Zwängen des All­tags eigen­ständig etwas zu schaffen, worauf sie mit Recht stolz sein können. In ihren Fan­clubs finden sie Aner­ken­nung, die Fan­clubs sind für sie eine Art Heimat, in der sie grund­le­gende Werte wie Respekt, Hin­gabe, Ver­trauen und Tole­ranz erfahren.

Trotz den posi­tiven Aspekten der Aka­demie für Fuss­ball­kultur können wir den Preis aus fol­genden Gründen nicht annehmen:

Der Haupt­sponsor

Sta­dien sind heute Arenen – oft mul­ti­funk­tional – und das Rah­men­pro­gramm im Inneren wird ver­stärkt auf die Kunden des Ver­eins aus­ge­legt. Frei­räume in den Fan­kurven werden beschnitten. Der Fuß­ball wird als Event sti­li­siert und Neu­bauten ohne jeg­li­chen Bezug zur Stadt oder dem Verein auf freier Fläche erbaut. Die Iden­ti­fi­ka­tion der Men­schen geht zuneh­mend ver­loren, zah­lungs­kräf­ti­geres Publikum genießt Vor­rang.

Wir erklären uns aus­drück­lich soli­da­risch mit den Fans aus Nürn­berg, welche sich seit Jahren mit viel Herz­blut dafür ein­setzen, dass ihr Sta­dion den Namen ihres Idoles Max Mor­lock trägt. Max Mor­lock ist ebenso wie Fritz Walter ein 54er Held und es wäre weit mehr als ein sym­bo­li­sches Bekenntnis, wenn der 1. FC Nürn­berg im Max-Mor­lock-Sta­dion auf­laufen würde. Dies wird aller­dings seit Jahren durch easyCredit/​TeamBank, dem Haupt­sponsor und Grün­dungs­partner der Aka­demie, ver­hin­dert. easyCredit/​TeamBank besitzt seit 2006 die Namens­rechte des Nürn­berger Sta­dions. Diese Spon­so­ring­ak­ti­vität steht also einem zen­tralen Feld der Fuß­ball­kultur, näm­lich der Aus­ein­an­der­set­zung mit und der För­de­rung der Fan­kultur, grund­le­gend ent­gegen. Eine Annahme des Preis­geldes, das von einem sol­chen Sponsor gestiftet wird, kommt für uns daher nicht in Frage. Im übrigen legen wir
easyCredit/​TeamBank nahe, sich selbst einmal zu hin­ter­fragen, ob sie mit ihrer Spon­so­ring­ak­ti­vität bei der Fuß­ball­aka­demie über­haupt an der rich­tigen Adresse sind.

Die Fans des 1. FC Kai­sers­lau­tern e.V. sind stolz, in das Fritz-Walter-Sta­dion zu pil­gern und nicht in eine x‑beliebige Arena, welche in zwei Jahren einen anderen Namen trägt. Wir sind stolz, dass in Kai­sers­lau­tern Tra­di­tion und die Legenden des Ver­eins einen höheren Stel­len­wert haben als eine kurz­fristig erhöhte Liqui­dität. Mone­täre Inter­essen dürfen nie­mals die gelebte Geschichte eines Ver­eins ersetzen! Hierbei han­delt es sich nicht um Sozi­al­ro­mantik, son­dern viel­mehr um eine Über­le­bens­stra­tegie. Aus­schließ­lich Letz­teres bewahrt in sport­li­cher Sicht mit­tel­mä­ßige Ver­eine vor dem Sturz in die Bedeu­tungs­lo­sig­keit.

In unserer Bil­der­ga­lerie: Wei­tere schöne Fan-Cho­reo­gra­phien »

Tue Gutes und rede dar­über

Wenn sich Unter­nehmen sozial enga­gieren, ist das zunächst ein posi­tives Signal. Schließ­lich gibt es leider immer noch viel zu viele Men­schen, die Hilfe benö­tigen. Große Unter­nehmen nutzen solche Spenden, deren Beträge für solche Unter­nehmen nicht mehr als Pea­nuts sind, jedoch häufig dazu, sich einen sozialen Anstrich zu ver­leihen und posi­tive Presse zu erhalten. Spenden werden somit für Mar­ke­ting­stra­te­gien zweck­ent­fremdet. In diesem Fall treibt es der Sponsor easyCredit/​TeamBank jedoch noch mehr auf die Spitze: Er unter­stützt eine Ein­rich­tung, deren Sinn und Zweck er durch eine andere Spon­so­ring­ak­ti­vität kon­ter­ka­riert. Eine Tat­sache, die grund­le­genden Werten der Gene­ra­tion Luzifer wider­spricht.

Es bleibt also fest­zu­halten, dass sich unsere Kritik aus­schließ­lich gegen die Prak­tiken der Team­bank AG richtet. Wir bedauern, dass die Deut­sche Aka­demie für Fuss­ball­kultur in dieser Sache einer der Leid­tra­genden ist, denn leider werden die durchaus aner­ken­nens­werten Ziele der Fuss­ball­aka­demie durch das Spon­so­ring von easyCredit/​TeamBank ad absurdum geführt.

Um dem eigent­li­chen sozialen Zweck dieses Preises gerecht zu werden, wird unsere Gruppe beim fol­genden Heim­spiel des 1. FC Kai­sers­lau­tern gegen den SC Frei­burg eine Spen­den­ak­tion zugunsten fol­gender Orga­ni­sa­tionen durch­führen:
- alt – arm – allein” Kai­sers­lau­tern e.V.
- Fritz Walter Stif­tung
- Indi­en­hilfe Kai­sers­lau­tern e.V.

Wei­tere Infor­ma­tionen zu der Spen­den­ak­tion folgen morgen.

Gene­ra­tion Luzifer Kai­sers­lau­tern 1998

Zuerst erschienen hier: https://​gene​ra​tion​-luzifer​.de

Die Stel­lung­nahme der Aka­demie für Fuß­ball-Kultur findet ihr hier »

In unserer Bil­der­ga­lerie: Wei­tere schöne Fan-Cho­reo­gra­phien »

ncG1vNJzZmhpYZu%2FpsHNnZxnnJVkrrPAyKScpWeUlsBuvNGomaWdnWK2tMCMnZyrZaOlvK%2B%2Fzqtmbm9naoNx